Wärme- u. Kältetherapie

Kältetherapie

Die Behandlung mit Kälte, die sog. Kryotherapie, ist ein wichtiger Bestandteil der Physikalischen Therapie. Durch flüssige, feste oder gasförmige kalte Materialien, vor allem aber Eis, wird behandlungsbedürftigen Körperpartien Wärme entzogen. Die dadurch eintretende Senkung der Gewebstemperaturen wird zur Behandlung einer Reihe von Krankheiten am Bewegungsapparat genutzt.

Zur Anwendung kommen verschiedene Kälteformen, die - je nach therapeutischem Ziel - eine differenzierte Behandlung mit Abstufungen von milder bis starker Kälte ermöglichen. Die oberflächlichen Hautschichten kühlen im Verlauf der Kältebehandlung innerhalb weniger Minuten rasch ab. Um tieferliegendes Gewebe abzukühlen, bedarf es kräftiger Kaltanwendungen mit längerer Anwendungsdauer. Bei Anwendungen mit Temperaturen oberhalb O° C und von wässrigem Eis besteht in der Regel keine Gefahr von Kälteschäden. Trotzdem sollte jede Kältetherapie beim Auftreten von unangenehm schmerzhafter Kälteempfindung sicherheitshalber abgebrochen werden.

Folgende Anwendungsformen stehen zur Verfügung:

milde Kälte:

  • kalte Wickel
  • Kaltwasseranwendungen
  • Kaltmoorpackungen

starke Kälte:

  • Eis/Eisbeutel/Kältepackung
  • Eiswasserbad
  • Eiskompressen, Eiswickel
  • Kaltgas (Spray, Stickstoff u. Kaltluft)

 

Die Wirkung der Kältetherapie findet auf drei verschiedenen Ebenen statt:

 

Schmerzlinderung (analgetische Wirkung)

Durch Abkühlung wird im behandelten Gewebe die gesamte Stoffwechselaktivität vermindert und damit auch die Bildung und Wirkung schmerzauslösender Substanzen verringert. Gleichzeitig wird die Erregbarkeit schmerzempfindlicher Nervenfasern herabgesetzt, so dass weniger Schmerzsignale das Bewusstsein erreichen. Auf der Ebene des Rückenmarkes konkurriert die Kältewahrnehmung mit der Schmerzwahrnehmung, wodurch diese zusätzlich gehemmt wird. Darüber hinaus werden im Gehirn bei kräftigen Kälteempfindungen Botenstoffe freigesetzt, die allgemein die Schmerztoleranz verbessern.

Entzündungshemmung (antiphiogistische Wirkung)

Durch Kälteeinwirkung auf die Hautoberfläche ziehen sich reflektorisch die Gefäße im Behandlungsgebiet zusammen. Die hierdurch bedingte Verminderung der Gewebsdurchblutung wirkt zusammen mit der Senkung der Aktivität des Entzündungsstoffwechsels stark entzündungshemmend. Da eine Entzündung immer auch von einer Schwellung (Ödem) begleitet wird, wirkt Kälte damit gleichzeitig auch antiödematös.

Muskelentspannung (detonisierende Wirkung)

Kälte kann auf schmerzhaft verspannte Muskulatur nach längerer Einwirkung spannungslösend wirken. Dieser Effekt trägt indirekt zur Schmerzlinderung bei. Eine besondere Wirkung hat Kälte im Rahmen krankengymnastischer Übungsbehandlungen von spastischen Bewegungshemmungen, z. B. nach einem Schlaganfall. Die krankhaft veränderte Muskelaktivität wird durch Eisabreibungen oder Eistauchbad gehemmt, so dass die Bewegungsmuster besser geübt werden können.

Kälte dient im wesentlichen zur Behandlung von entzündlichen Gelenkserkrankungen und nichtentzündlichen - rheumatischen Beschwerden. Im Bereich der Orthopädie und Sportmedizin wird sie bei Zerrungen und Prellungen, sowie bei Verletzungen des Kapsel- und Bandapparates eingesetzt. Krankengymnastisch wird sie vor allem bei Einschränkungen der Gelenksbeweglichkeit nach Operationen und Unfällen verwendet, um den schmerzfreien Bewegungsspielraum bei den Übungen zu erweitern.

 

Wärmetherapie

 

1. Anwendungsformen

Einige bedeutende Verfahren der lokalen Wärmetherapie gehören in den Bereich der Elektromedizin: in erster Linie zählt hierzu die Diathermie mittels Hochfrequenz, sowie die Infrarot- und Ultraschalltherapie. Die lokale Wärmewirkung ist darüber hinaus prinzipiell auch mit Wasser als Energieträger möglich, z. B. in Form von heißen Teilbädern, -wickeln, -rollen und Wärmeflaschen: sie werden jedoch vorwiegend zur unspezifischen Therapie über das autonome Nervensystem und seiner Erfolgsorgane ge­nutzt und bleiben hier außer Betracht. Zur regional beschränkten Behandlung am Stütz- und Bewegungsapparat werden vorwiegend neben den erwähnten elektrotherapeutischen Verfahren mehr oder weniger wasserhaltige Peloide verwendet; es handelt sich um eine sehr inhomogene Gruppe von Materialien, deren wesentliche Gemeinsamkeit ihre breiartige Konsistenz ist. Ihre Inhaltsstoffe sind pharmakologisch bedeutungslos, wichtig hingegen ihre günstigen thermischen Eigenschaften bezüglich Wärmekapazität und Wärmewiderstand. Am gebräuchlichsten sind Packungen mit Moorerde (ca. 500 C) und Fango (ca. 450 C), ein aufbereiteter feinkörniger Vulkantuff.

2. Wärmewirkungen, Indikationen

 

2.1 Tonolytische Wirkung

Die Wärmezufuhr bewirkt auf lokaler Ebene zahlreiche Veränderungen. Die orthopädisch wohl bedeutendste Wärmewirkung ist ihr Einfluss auf den Tonus pathologisch verspannter Muskulatur. Sie wird vor allem im Rahmen einer Massagetherapie zur Vor- und Nachbehandlung genutzt. Für die tonolytische Wirkung auf tiefe Muskelstrukturen ist lediglich eine kräftige Erwärmung der zugehörigen Hautoberfläche erforderlich; sie beruht also primär auf reflektorischen Mechanismen. Gewiss hat auch die unmittelbare Muskelerwärmung einen messbaren tonolytischen Effekt; klinisch bzw. therapeutisch spielt er jedoch eine untergeordnete Rolle. Häufig überschätzt wird die Bedeutung der wärmebedingten Gefäßdilatation, die in der Haut augenfällig ist und ein entsprechendes Korrelat in der Tiefe vermuten lässt. Experimentell sind relevante Durchblutungssteigerungen in der Muskulatur jedoch erst ab ca. 39° C zu beobachten; sie werden unter therapeutischen Bedingungen normalerweise bei weitem nicht erreicht. Die Auswirkungen einer systematischen Erwärmung, z. B. durch das Vollbad, haben selbstverständlich auch lokal wirksame und nutzbare Effekte; bedeutsam ist vor allem die Detonisierung der gesamten Skelettmuskulatur, die auf ein komplexes Zusammenspiel lokaler spinal-reflektorischer und supraspinaler Reaktionen (Hypothalamus, Formatio reticularis) zurückzuführen ist. Der therapeutische Nutzen wird allerdings durch die erhebliche Kreislaufbelastung, die ungezielte Wirkung und nicht zuletzt auch durch den höheren Aufwand eingeschränkt.

 

2.2 Analgetische Wirkung

Tonolyse und Analgesie sind eng miteinander verknüpft, da die schmerzlindernde Wirkung der Wärme im wesentlichen auf eine Unterbrechung des circulus vitiosus »Schmerz-Reflextonuserhöhung-Schmerz« zurückzuführen ist. Dieser sekundär-analgetische Mechanismus macht die oft weit über den Anwendungszeitraum hin­ausgehende Wirkung plausibel. Zusätzlich wirken kräftige Wärmereize durch die starke Erregung kutaner Thermorezeptoren auch primär schmerzlindernd, und zwar über spinale gate-control-Mechanismen. Hierdurch können folglich auch Schmerzen aus nichtmuskulären Gewebsstrukturen gedämpft werden. Der Wirkungskomplex beruht wahrscheinlich auf einer reflektorischen Hemmung der Schmerztortleitung auf spinaler Ebene:

die über dünnkalibrige Ad- und C-Fasern geleiteten Schmerzreize aus der Peripherie treffen im Hinterhorn des Rückenmarks ein und werden auf Transmissionszellen umgeschaltet; dort werden sie jedoch vor ihrer Weiterleitung zur supraspinalen Verarbeitung von anderen afferenten Systemen im Sinne einer Hemmung moduliert (gate control); hierzu gehören sowohl die kutanen Mechanorezeptoren und tiefen Propriozeptoren, als auch die Kälte und Wärmerezeptoren. So wird verständlich, dass Schmerzempfindungen auch aus tieferen Gewebsschichten, bereits durch oberflächliche Wärmereize in Sekundenschnelle deutlich gehemmt werden können. Kommt es trotz konvektiver Wärmeabfuhr über das oberflächliche Gefäßnetz (Vasodilatation) zu einer Erwärmung auch tieferer Gewebsbereiche, werden hier alle Stoffwechselvorgänge einschließlich der damit gekoppelten physiologischen Reaktionen beschleunigt und die Trophik beeinflusst. Auf thermomechanischer Ebene erfolgt eine Senkung der Viskosität von Blut- und Gelenkflüssigkeiten, sowie eine Erhöhung der Elastizität von Sehnen und Muskeln. Die günstigen mechanischen und trophischen Effekte der Wärme lassen sich zur Therapie praktisch aller chronisch-degenerativen Erkrankungen am Bewegungsapparat nutzen, wobei ihnen eine nicht unbedeutende sekundär-analgetische Komponente zukommt. Dagegen ist Wärmetherapie bei allen Vorgängen mit bereits pathologisch gesteigertem Metabolismus kontraindiziert, also besonders bei akut entzündlichen Erkrankungen und frischen traumatischen Läsionen (<48 Std.). Dies betrifft vor allem die Gelenke, da durch zelluläre und enzymatische Aktivierung in Wärme eine beschleunigte Knorpeldestruktion droht.

 

Texte aus:
Leistungsangebot Physikalische Therapie, Physiotherapie von: GESUNDHEITS-DIALOG Verlag GmbH, Postfach 89, 82033 Oberhaching